Punkt 12 - Unsere schöne Heimat!

Kurklink statt Biotop, wirklich?
Besser Beton, als Biotop

Stand:


Uede 2030: Nach jahrelangem Baulärm und der Lagerung von Baumaterialien und Bauschutt im Vogelschutzgebiet ist es endlich gelungen, die Störenfriede zu vertreiben. Nun haben Investoren hier ein Refugium anderer Art geschaffen. Kurgäste können sich hier vom nervtötenden Vogelgezwitscher in ihrer Heimat erholen.

Das ist natürlich böser Sarkasmus, aber es geht schon in diese Richtung. Wir müssen unsere Natur schützen, für uns, für unsere Gäste, wir stehen doch für sanften Tourismus. Was soll eine Kurklinik, womöglich noch eingezäunt, wo heute ein Vogelschutzgebiet ist?


Darf man im Vogelschutzgebiet Baustoffe lagern? Was sagt das Bauamt?

In unserer Funktion als Stadtvertreter und teilweise auch als Kreistagsmitglieder haben wir uns direkt beim Bauamtsleiter des Landkreises beschwert. Der Bauamtsleiter ist auch der Leiter der "Unteren Naturschutzbehörde", also der Behörde, die für den Schutz der Natur zuständig ist.

Wir wiesen dabei ausdrücklich auf den Schutzstatus des Gebietes hin und baten darum, die Nutzung als Baustofflager unverzüglich zu untersagen.

Auf unsere Beschwerde hin, erhielten wir folgende Antwort:
Zitat Amtsleiter Steffen Pfefferkorn:
„Aus naturschutzfachlicher Sicht sind durch die temporäre Ablagerung von Erdstoffen und das Befahren der Fläche auf dem Flurstück 16/259 … gegenwärtig keine gesetzlich geschützten Biotope betroffen. … Eine Zwischenlagerung von Erdstoffen auf solchen Flächen stellt keine erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung dar.

Ist das tatsächlich so, hat er vielleicht sogar Recht?

Zunächst muss man die Fakten festhalten:
Es handelt sich zweifelsfrei um den Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB. Dennoch wird die Fläche seit Anfang Juni 2025 nicht etwa für eine „temporäre Lagerung von Erdstoffen“, wie es die Behörde darstellt, genutzt, sondern als länger andauernder Umschlagplatz für Baustoffe (bisher 3 Monate). Teilweise wurden dort Kiesberge bis zu einer Höhe von vier Metern aufgeschüttet.

Rechtlich ist die Lage eindeutig: Nach § 35 Abs. 2 BauGB dürfen sonstige Vorhaben im Außenbereich nur dann zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB liegt eine Beeinträchtigung bereits dann vor, wenn schädliche Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind. Genau das ist bei einem mehrere Monate betriebenen Umschlagplatz mit Aufschüttungen, Lärm, Staub und Flächenverdichtung der Fall.

Vogelschutzgebiete laut Flächennutzungskonzept 2025
Flächennutzungskonzept 2025 (letzte Seite)

Schaut man in das im Juni 2025 beschlossene Flächennutzungskonzept, erkennt man sehr deutlich, dass dort im Bereich des ehemaligen BFZ, Biotope, GGB und SPA Gebiete ausgewiesen sind.

GGB-Gebiete

GGB bedeutet „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“. Sie beruhen auf der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG), auch FFH-Richtlinie genannt. Ziel ist der Schutz gefährdeter Lebensraumtypen (z. B. Moore, Feuchtwiesen, Dünen) und Arten (z. B. Fischotter, Fledermäuse, Orchideen).

SPA-Gebiete

SPA steht für „Special Protection Area“ (besonderes Schutzgebiet für Vögel). Grundlage ist die EU-Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG). Sie dienen dem Schutz wildlebender Vogelarten und ihrer Lebensräume – insbesondere von Zug- und Brutvögeln (z. B. Seeadler, Kraniche, Kormorane).

Gemeinsame Wirkung (Natura 2000)

Sowohl GGB- als auch SPA-Gebiete gehören zum europaweiten Netzwerk Natura 2000. Für beide gilt das Verschlechterungsverbot nach § 33 Abs. 1 BNatSchG:
„In den Natura 2000-Gebieten sind alle Handlungen, Projekte und Maßnahmen unzulässig, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Gebiete in ihren für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können.“

Für Vorhaben, die solche Gebiete berühren, ist nach § 34 BNatSchG eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich. Ohne positive Prüfung sind Projekte unzulässig.

Und wo sind die Biotope?

Die schwarz gepunkteten Linien in der Zeichnung stellen die "Gesetzlich geschützten Biotope" dar. Zu der Seite der Linie, auf der sich der Punkt befindet, entspannt sich das Biotop.

Es ist deutlich erkennbar, dass die Biotope in Richtung Haffküste ausgebildet haben. Rechts neben dem ehemaligen BFZ Gelände (rotes Rechteck) liegen zwei kleine, schmale, vertikal ausgerichtete Biotope.

Insbesondere diese kleinen Biotope haben 2013 dazu geführt, dass die "Untere Naturschutzbehörde", die Erweiterung des Sondernutzungsgebietes F+T nicht zugelassen hat. Der Versuch in diese Fläche bei der 1. Änderungs des Flächennutzungsplanes zu erweitern, schlug fehl, wegen des nicht abwägbaren Biotopschutzes.

Bauabfälle im Vogelschutzgebiet!

Als wir beim Leiter des Bauamtes, der gleichzeitig auch Leiter der „Unteren Naturschutzbehörde“ ist, mit dem Hinweis auf Biotopschutz und Vogelschutz intervenierten, war auch der Bürgermeister der Stadt Ueckermünde informiert.

Trotzdem alle Fakten zu den Schutzgebieten genannt wurden, sah die „Untere Naturschutzbehörde“ keinen Schutzbedarf.
Zur Erinnerung: Ein großer Teil des ehemaligen BFZ-Geländes ist Teil des Natura 2000-Netzwerkes und damit nach europäischem Recht besonders schutzwürdig. Es handelt sich eindeutig um ein Vogelschutzgebiet. In der Folge wurde die Nutzung des Lagers für Baustoffe sogar noch erweitert.

Seit einigen Tagen – und zwar nachdem die Behörden informiert waren – wird dieses Schutzgebiet nun zusätzlich als Halde für Bauabfälle genutzt.
Der Landrat, die Kommunalaufsicht und auch der Leiter des Bauamtes, sowie der Bürgermeister sind informiert. Passiert ist bisher nichts – was sehr überrascht, wenn man sich die rechtlichen Hintergründe zu diesem Sachverhalt ansieht.

Rechtliche Bewertung:

Die Ablagerung von Bauschutt und Erdstoffen in einem ausgewiesenen Vogelschutzgebiet kann mehrere Straftatbestände erfüllen:

  • § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG): Verbot, europäische Vogelarten erheblich zu stören oder ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu zerstören. Durch Aufschüttungen, Lärm und Abfälle werden Lebensräume beeinträchtigt.
  • Umweltdelikte: Wer ein geschütztes Gebiet erheblich schädigt, macht sich strafbar. Schutzgebiete genießen einen besonders hohen Rang.
  • Unerlaubter Umgang mit Abfällen: Die Ablagerung von Bauabfällen in der Natur – insbesondere in einem Schutzgebiet – erfüllt diesen Tatbestand.
  • Amtspflichtverletzungen: Wenn zuständige Behörden trotz eindeutiger Hinweise nicht einschreiten, kann dies strafbar sein.

Wie man den Bildern entnehmen kann, wird dort aktuell auch Asphalt - Bruchabfall gelagert. In älteren Asphalten – insbesondere aus den 1960er bis 1980er Jahren – wurde häufig Teer oder Pech als Bindemittel eingesetzt. Diese enthalten hohe PAK-Gehalte, die als krebserregend eingestuft sind.

Besonderes Gefährdungspotenzial bei teerhaltigem Asphalt Teerhaltiger Asphalt („Teerpechhaltiger Straßenaufbruch“) kann über Jahrzehnte Schadstoffe freisetzen. Eine offene Lagerung oder unkontrollierte Einbringung in den Boden ist nicht zulässig. Laut Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) gilt für diesen Fall der Abfallschlüssel 170301 – Asphaltgemische mit Teer und Teerprodukten, die als gefährlicher Abfall einzustufen sind.

Zusammenfassung

  • Schadstoffe: Asphaltbruch kann PAK/Teer enthalten (krebserzeugend, toxisch). Auswaschung belastet Boden und Grundwasser.
  • Naturschutzrecht: SPA-Gebiete (EU-Vogelschutzrichtlinie) sind streng geschützt; erhebliche Beeinträchtigungen sind verboten (§ 44 BNatSchG).
  • Bau-/Abfallrecht: Lagerung im Außenbereich ist nicht genehmigungsfrei (§ 35 BauGB). Ablagerung ohne Zulassung ist Abfallverstoß (KrWG).
  • Lebensraumstörung: Verdichtung, Staub und Verkehr stören Brutvögel; Vegetation und Insektenfauna werden geschädigt.
  • Konsequenzen: Anordnung zur Beseitigung möglich; in Schutzgebieten ggf. Umweltstraftat (§ 329 StGB).

Damit geht es nicht um eine „Bagatelle“ oder eine bloße „Zwischenlagerung“, sondern um eine mögliche strafbare Nutzung eines Schutzgebietes – mit Konsequenzen sowohl für den Betreiber der Halde als auch für die zuständigen Amtsträger, die ihrer Schutzpflicht bislang nicht nachkommen.


Nächster Versuch, die Fläche zu erweitern!

Vogelschutzgebiete laut Flächennutzungskonzept 2025
Flächennutzungskonzept 2025 (letzte Seite)

Schaut man in das im Juni 2025 beschlossene Flächennutzungskonzept (Seite 13), erkennt man sehr deutlich, dass das Gebiet des ehemaligen BFZ (blaue Fläche Nr. 6) sehr stark erweitert worden ist. Es überschneidet zum einen die kleinen vertikalen Biotope, rechts neben dem BFZ Gelände, und überlappt zum anderen das Vogelschutzgebiet.

Es handelt sich hierbei also um den erneuten Versuch, dass Gelände des BFZ zu erweitern, obwohl diese Erweiterung bereits im Jahr 2013, bei der 1. Änderung des Flächennutzungsplanes, abgelehnt wurde.

Begründung damals: Biotopschutz, nicht abwägbar!


Aber warum stimmen dann die Stadtvertreter für das Fachkonzept

Auf den ersten Blick ist es nicht nachvollziehbar, warum die Stadtvertreter einem Fachkonzept zustimmen, das ganz offensichtlich Pläne enthält, die aufgrund des Umwelt- und Naturschutzes nicht realisiert werden können.

Schaut man jedoch in die Historie dieses Konzeptes, stellt man fest, dass es den Stadtvertretern schon einmal vorgelegt wurde. Mit der Drucksache DS-23/0353 aus der Stadtvertretersitzung vom 07.12.2023, wurde das Konzept von der damaligen Stadtvertretung in die Ausschüsse zurück verwiesen.

Auf der Tagesordnung der Stadtvertretersitzung vom 13.03.2025 tauchte dieser Punkt plötzlich wieder unter der Beschlussache DS-23/0353-1 auf. In der Anlage das Fachkonzept mit Stand 2025, indem sich Abkürzungen wie GGB und SPA befinden und auf der letzten Seite die Zeichnung, in der die Biotope und Vogelschutzgebiete eingezeichnet sind: Es hieß, dass Ganze sei schon seit 2020 im Verfahren, alles reine Formsache und nun muss es endlich beschlossen werden.

Wichtige Informationen verschwiegen

Während das Fachkonzept 2023 die Schutzgebiete deutlich benennt, fehlen diese Hinweise im Fachkonzept 2025, also dem Fachkonzept, über das abgestimmt wurde, nahezu vollständig.

Auch fehlte der Hinweis des Bürgermeisters darauf, dass die Erweiterung des BFZ Geländes bereits 2013 wegen des Biotopschutzes abgelehnt wurde.

Für ein ordnungsgemäßes Verfahren nach § 2 BauGB ist diese Auslassung sehr problematisch.

Fachkonzept 2023
  • Enthält klare Hinweise auf Natura 2000-Gebiet.
  • Verweist ausdrücklich auf Vogelschutz und Biotopschutz.
  • Umwelt- und Artenschutzaspekte sind detailliert dargestellt.
  • Schutzstatus wird als verbindlicher Rahmen betont.
Fachkonzept 2025
  • Schwerpunkt auf touristischer und städtebaulicher Entwicklung.
  • Keine klaren Textstellen zu Natura 2000 oder Vogelschutz.
  • Naturschutz wird nur oberflächlich erwähnt.
  • Gefahr: Schutzstatus bleibt in der Abwägung unberücksichtigt.

Ist das noch heilbar?

Zunächst muss man klarstellen: Dieses Flächennutzungskonzept entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung. Weder kann daraus ein Baurecht abgeleitet werden, noch dürfen die darin genannten "Wünsche" unmittelbar Grundlage für eine Änderung des Flächennutzungsplans sein.

Um die Fehler zu beheben, gibt es nur einen Weg: Der Beschluss zum Fachkonzept 2025 muss aufgehoben und mit vollständiger Informationslage neu beraten werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Stadtvertretung auf rechtmäßiger und vollständiger Grundlage entscheidet.

Was sind die Konsequenzen?

Bleibt der Beschluss bestehen, hat das mehrere Folgen: Zum einen wird der Eindruck erweckt, man könne sich einzelne Punkte aus einem Fachkonzept herausgreifen und als verbindlich darstellen – was der Gesetzeslage widerspricht. Zum anderen werden die Mandatsrechte der Stadtvertreter verletzt, weil wesentliche Informationen (vor allem die Ablehnung der FNP-Änderung 2013 wegen Biotopschutz) verschwiegen wurden.

Dies macht den Beschluss politisch und rechtlich unhaltbar. Die einzige Konsequenz kann daher sein: Der Beschluss muss kassiert und die Beratung mit vollständiger Informationslage wiederholt werden.